Siedlung

Die Siedlung Eigenheim in Potsdam

Unsere Siedlung Eigenheim wurde 1922 gegründet. Zuvor hatte die Stadt Potsdam im selben Jahr eine Fläche von etwa 37 ha an der damaligen Alten Zauche (heute Teil der Heinrich-Mann-Allee) von der Forstverwaltung gekauft und eingemeindet. Vorher wurde die Fläche von einer landwirtschaftlichen Hochschule genutzt und davor als Plantage für Maulbeerbäume zur Seidenraupenzucht.

Aufgeteilt in 273 Parzellen wurden die Grundstücke an die Bewerber zu einem vergleichsweise geringen Verkaufspreis abgegeben. Voraussetzung war, dass die Antragsteller Mitglieder des Bundes Deutscher Bodenreformer (gegründet 1898) waren, dessen Vorsitz der Boden- und Sozialreformer Adolf Damaschke (1865-1935) als Mitbegründer inne hatte. Außerdem mussten sie Mitglieder im 1921 gegründeten Gemeinnützigen Kleinsiedlungsverein „Eigenheim“ e.V. in Potsdam werden.

Die entstehende Siedlung sollte in jener wirtschaftlichen Krisenzeit nach dem Ersten Weltkrieg vor allem „einfachen Leuten“ ermöglichen, sich Wohnraum und Gärten als Ernährungsgrundlage zu schaffen. Dies entsprach einem der bodenreformerischen Grundsätze. So erlaubte die Größe der Grundstücke von ca. 1.300 m² neben der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Nebengelass, auch den Anbau von Obst und Gemüse, sowie Kleinviehhaltung. Bei gutem Ertrag konnte sogar der Verkauf eigener Produkte zur finanziellen Unterstützung der Familien beitragen.

Die Parzellen wurden per Los verteilt und sollten von den Siedlern vererbt oder wenn notwendig, an die Stadt zurück verkauft werden, um Grundstücksspekulationen zu verhindern. Diese Vorgabe wurde jedoch nach wenigen Jahren unterwandert – begünstigt von den sich ändernden politischen Verhältnissen. Trotzdem gibt es heute noch Häuser, die von Nachfahren der Erbauer, in einigen Fällen sogar in der vierten oder fünften Generation bewohnt werden.

Der Häuserbau, bei dem sich die Siedler gegenseitig unterstützten, begann 1923. Innerhalb von etwa 10 Jahren waren fast alle Grundstücke bebaut, Straßen in Eigenleistung der Siedler angelegt und Trinkwasser- sowie elektrische Stromleitungen verlegt. Eine Reihe von Geschäften wurde in Eigenheim betrieben, von denen heute nicht mehr viele anzutreffen sind.

Die evangelische Martin-Luther-Kapelle und die Schule am Ravensbergweg wurden 1934 errichtet. Um 1956 entstand am Försteracker eine Ergänzung der Siedlung, bestehend aus zehn Doppelwohnhäusern.

Am Eingang zur Siedlung Eigenheim stehen heute noch die Damaschke-Linde (Erstpflanzung 1925 durch Damaschke) und die Damaschke-Bank, die Adolf Damaschke 1927 persönlich einweihte. Beides wurde dem Boden- und Sozialreformer zu Ehren von den Siedlern veranlasst, so wie auch der Damaschkeweg in der Siedlung 1925 auf Vorschlag der Eigenheimer nach ihm benannt wurde.

Das tägliche Leben der Eigenheimer verlief in gedeihlichem Miteinander, man pflegte Kontakte und verstand es auch, das Siedlungsleben durch gemeinsame Feste zu bereichern. Die Tradition der Siedlungsfeste wurde 2009 durch den heutigen Siedlungsverein Eigenheim e.V. wiederbelebt. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit, denn sie dienen der Kontaktpflege der Eigenheimer untereinander – auch zu den neu Hinzugezogenen.

Seit den 1990er-Jahren sind viele Häuser in der Siedlung hinzugekommen, deren Bau durch Grundstücksteilungen möglich wurde. Damit ist auch die Einwohnerzahl in Eigenheim deutlich angestiegen. Ein Privileg der Eigenheimer aber ist geblieben: Das Wohnen im Grünen in einer ruhigen Gegend im Randgebiet der Stadt.

Weitere Auskunft über die Geschichte der Siedlung und das Leben dort gibt das Buch „Die Siedlung Eigenheim in Potsdam“ (Autorenkollektiv). Es ist 2013 erschienen und in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam sowie im Stadtarchiv Potsdam verfügbar.

Ursula Stark, Reinhard Gassong